Wenn die Luft wegbleibt

Erkrankungen der Lunge zählen zu den weltweit häufigsten Todesursachen. Wie lassen sich Risiken minimieren?
Illustration: Maria Martin
Illustration: Maria Martin
Andrea Hessler Redaktion

Angesichts der akuten Corona-Problematik wird oft vernachlässigt, dass Erkrankungen der Lunge auch schon vor Auftreten des Coronavirus zu den weltweit häufigsten Todesursachen zählten. So starben laut Statistischem Bundesamt im Jahr 2019 alleine in Deutschland rund 67.000 Menschen an Erkrankungen des Atmungssystems, eine Zahl, die sich seit Jahren in dieser Größenordnung bewegt. Hinzu kommen weitere mehrere zehntausend Tote durch Erkrankungen der unteren Atemwege, Lungenentzündung und Asthma. Mehr als 27.000 Männer hierzulande starben an bösartigen Tumoren der Bronchien und der Lunge. Dies ist die bei Männern am häufigsten diagnostizierte Krebsart – am häufigsten betroffen sind Raucher.


Auch nicht tödliche Lungenkrankheiten können die Lebensqualität enorm beeinträchtigen. Viren und Bakterien können die Bronchien und die oberen Atemwege befallen, schon vor COVID-19 führte das Schwere Akute Atemwegssyndrom (SARS) zu Lungenentzündung und oft auch zum Tod. Auch Schweine- und Vogelgrippeviren nisten sich in den Atemwegen ein. Neben Infektionskrankheiten bedrohen chronische Erkrankungen wie die Chronic Obstructive Pulmonary Disease (COPD), Asthma (rund 240 Millionen Menschen weltweit leiden an Asthma) sowie aggressive Stoffe wie Gase und Stäube am Arbeitsplatz die Lunge und damit Gesundheit und Leben. Folgen sind unter anderem Lungenhochdruck, Lungenemphysem und Lungenfibrose; ebenfalls gefährlich ist die Erbkrankheit Mukoviszidose sowie die Schädigung der Lunge durch häufige schwere Infektionen in der Kindheit. Auch psychische Leiden wie bestimmte Zwangserkrankungen, Phobien und Depressionen können die Atmung beeinträchtigen.


Eine enorme und immer noch unterschätzte Gefahr ist die steigende Luftverschmutzung. So betonen internationale Experten aus Toxikologie, Klimaforschung und medizinischer Praxis regelmäßig, dass Luftschadstoffe nicht nur die Umwelt gefährden, sondern auch gesundheitsschädlich seien – nicht nur in extremen Smog-Städten wie der indischen Hauptstadt Neu-Delhi, sondern auch in weniger verschmutzten Städten.


Laut Analysen eines Symposiums, das die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e.V. (DGP) veranstaltete, basieren die aktuellen Grenzwerte zu Luftschadstoffen auf 70.000 internationalen wissenschaftlichen Publikationen. Sie belegen unter anderem die Schädlichkeit von Stickstoffoxid und Feinstaub – sogar schon unterhalb der nach geltendem EU-Recht aktuell gültigen Grenzwerte.


Die diskutierenden Experten waren sich einig: Luftverschmutzung ist der wichtigste Risikofaktor für nicht übertragbare Krankheiten. „Das ist hinreichend bewiesen“, betonte Professor Dr. Francesco Forastiere, Berater der WHO. „Unabhängig davon, ob es noch mehr Evidenz geben könnte, müssen wir handeln“, betonte er.

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