Wenn die Sehkraft schwindet

Erkrankungen der Augen nehmen zu. Neue Therapien geben Hoffnung.
Illustration: Maria Martin
Illustration: Maria Martin
J.W. Heidtmann Redaktion

Die Menschen verbringen immer mehr Zeit vor Bildschirmen. Und damit im Modus Nahsehen. Dabei steigt das Risiko für Kurzsichtigkeit – und das mit dem Bildungsstand, wie die Gutenberg Gesundheitsstudie feststellte. Während nur jeder vierte Deutsche ohne Ausbildung oder höhere Schulbildung eine Brille braucht, ist mehr als jeder zweite deutsche Hochschulabsolvent kurzsichtig.


Brillen und Kontaktlinsen können da zwar im Alltag leicht Abhilfe schaffen. Doch bereits ab einer Fehlsichtigkeit von fünf Dioptrien steigt das Risiko für gefährliche Augenerkrankungen wie eine Netzhautablösung. Chinesische Wissenschaftler haben allerdings eine verblüffende Entdeckung gemacht: Bei Sechsjährigen ließ sich die Kurzsichtigkeit bereits deutlich bremsen, wenn man sie eine Stunde länger als üblich unter freiem Himmel spielen lässt. Ob es vor allem Blicke in die Ferne oder positive Sonneneinflüsse sind, ist noch nicht klar.


Je älter die Bevölkerung im Zuge des demografischen Wandels wird, desto stärker nehmen auch die Augenleiden zu. Mit dem steigenden Lebensalter rücken Erkrankungen wie die Makula-Degeneration, der Graue oder Grüne Star oder die Diabetische Retinopathie stärker in den Fokus der Medizin. Als Grauer Star oder Katarakt werden Linsentrübungen bezeichnet, die im Alter zwischen 50 und 60 Jahren bei der Hälfte der Bevölkerung vorliegen. Sie haben einen Grauen Star, ohne Sehstörungen zu bemerken. Typische Behandlung ist die Operation, wobei eine künstliche Linse eingesetzt wird. An einer Form der Makula-Degeneration leiden in Deutschland etwa vier Millionen Menschen. Dabei kommt es im Alter zu Ablagerungen auf der Netzhaut und zum Verlust der Sehschärfe. Beim Grünen Star oder Glaukom gerät das Gleichgewicht aus Augen-innendruck und Durchblutung aus dem Lot, und der Sehnerv wird nicht mehr ausreichend versorgt. Die Diabetische Retinopathie ist eine Erkrankung der Netzhaut, die in Folge von Diabetes mellitus auftritt und die Gefäßwände schädigt.


Auf die enorme Anpassungsfähigkeit des Auges setzt auch die Optogenetik, die es erlaubt, Zellen mithilfe von Licht zu steuern. Die Therapieform weckt bei Medizinern verschiedenster Fachrichtungen große Hoffnungen. Eingeschleust in das Auge soll die DNA der Grünalge dabei helfen, menschliche Nervenzellen der Netzhaut für Licht sensibel zu machen – also gewissermaßen in Sehzellen verwandeln. So sollen die Erblindeten zumindest wieder einen Teil ihrer alten Sehfähigkeit zurückgewinnen. Erste Ergebnisse scheinen vielversprechend. Künftig hoffen Forscher, auch Taubheit, Parkinson, Epilepsie, chronische Schmerzen und Depressionen mit optogenetischen Verfahren zu behandeln.


Schon heute sind die Hornhautverpflanzungen, die sogenannten Keratoplastiken, die häufigste aller Gewebetransplantationen. Doch sie könnten noch öfter stattfinden, wenn es mehr geeignetes Spendermaterial gäbe. Das kommt bislang von Verstorbenen und ist knapp. Versuche an Ratten zeigten bereits, dass die aufbereitete Biohornhaut des Buntbarschs ebenso gut anwuchs, wie die von anderen Ratten. Noch arbeiten die Wissenschaftler jedoch daran, die technischen Eigenschaften des Fischschuppengerüsts zu verbessern, um sie der menschlichen Hornhaut noch ähnlicher zu machen. Gelingt es ihnen, könnte das vielen Menschen helfen. Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation zufolge sind rund zehn Millionen Menschen weltweit infolge einer Erkrankung der Hornhaut erblindet.

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