Mehr bewegen, weniger snacken

In Deutschland leben 8,5 Millionen Menschen mit einem diagnostizierten Typ-2-Diabetes – Tendenz steigend. Eine zentrale Rolle in der Prävention und Therapie spielt die Ernährung.
Illustration: Antje Kahl
Illustration: Antje Kahl
Iunia Mihu Redaktion

Diabetes Typ 2 ist eine tückische Krankheit. Risikofaktoren wie Übergewicht, Bluthochdruck und Stoffwechselstörungen bleiben oft unerkannt oder werden wenig ernst genommen. Treten sie zusammen auf, spricht man vom sogenannten metabolischen Syndrom, aus dem sich oft ein Diabetes entwickelt. „Diabetes Typ 2 hat eine lange Vorlaufzeit“, sagt auch Doris Nußbaum, Diätassistentin und Ernährungsberaterin/DGE am Helios St. Elisabeth-Krankenhaus in Bad Kissingen. Entscheidend für die Entstehung der Krankheit ist auch die genetische Disposition: Ist Diabetes Teil der Familiengeschichte, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass man selbst irgendwann daran erkrankt.

„Wenn ich den Diabetes gut eingestellt habe, ist er dann weg?“ Diese Frage bekommt Doris Nußbaum in ihren Sprechstunden oft zu hören. „Nein, man kann den Diabetes nicht wegessen und nicht wegrennen, antworte ich dann.“  Aber man kann ihn in der Regel gut mit therapeutischen Maßnahmen einstellen. Rund 50 Prozent der Menschen mit Typ-2-Diabetes könnten zunächst ohne Medikamente gut behandelt werden. Im Fokus der Therapie: Ernährungsumstellung, Gewichtsabnahme, Diabetes-Schulungen und natürlich ausreichend Bewegung.

 

Risiko Fettleber

 

Bei der Reduktion des Körpergewichts sollte nicht nur mit dem Body-Maß-Index (BMI) gearbeitet werden. Viel wichtiger sei es, einmal pro Woche oder alle 14 Tage den Taillen- und Hüftumfang zu messen und zu dokumentieren, so Nußbaum. „Ich rate anfangs sogar, die Waage in den Keller zu verbannen und das Maßband aus dem Nähkästchen zu holen. Denn entscheidend ist das Bauchfett. Hat jemand dünne Arme und Beine, aber einen kugelrunden Bauch, wird der BMI wahrscheinlich etwas geringer ausfallen. Ein dicker Bauch ist jedoch ein Hochrisikofaktor für Typ-2-Diabetes.“ Sinnvoller sei es daher, den Bauchumfang zu messen und zu reduzieren.

Auch Fettansammlungen in der Leber begünstigen die Erkrankung. In den westlichen Industrieländern ist die nicht-alkoholische Fettleber ein häufiger Befund, rund 30 Prozent der Bevölkerung leiden daran – Frauen übrigens häufiger als Männer. „Es sind oft die Kohlenhydrate aus dem Essen, insbesondere aus den Snacks und den Häppchen, die zwischendurch gegessen werden, die den Körper und vor allem die Leber belasten“, so Doris Nußbaum. Es seien primär die Frauen, die gern und viel zwischendurch essen. Männer hingegen würden eher ein- bis zweimal am Tag essen, dafür reichhaltig und vor allem abends, hat Doris Nußbaum beobachtet.

Die Leber ist eine Art Chemiefabrik in unserem Körper und der zentrale Akteur im menschlichen Stoffwechsel. Durch sie können wir unter anderem Nährstoffe verarbeiten, aufnehmen und unser Blut von giftigen Substanzen befreien. Die aufgenommenen Nährstoffe werden in der Leber umgewandelt und zwischengelagert. „Wenn der Körper alle zwei Stunden Essen zu sich nimmt, ist die Leber-Lagerhalle schnell gefüllt. Eben noch hat der Lagerist zwei Lkw voll Kohlenhydrate verarbeitet und schon kommen die nächsten angefahren. Sind die Kohlenhydrat-Regale voll, werden diese als Fett in den Leberzellen eingelagert – eine Fettleber entsteht. Und irgendwann bricht das System zusammen“, sagt die Ernährungsberaterin.

 

Wohltuende Essenspausen

 

Eine Fettlebererkrankung und Diabetes stehen also in einer Wechselbeziehung zueinander. Beide Erkrankungen können Auslöser und Folge sein. Eine Verfettung der Leber kann in frühen Stadien durch eine Änderung des Lebensstils wieder rückgängig gemacht werden. Die Devise lautet: mehr Eiweiß, weniger Kohlenhydrate, mehr Bewegung. Vor allem auf kohlenhydratreiche Snacks zwischendurch sollte konsequent verzichtet werden. „Statt zwischendurch ins Butterhörnchen oder in die Reiswaffel zu beißen, essen Sie lieber ein Stück Käse, ein gekochtes Ei, einen halben Becher Hüttenkäse oder knabbern Sie einen Tomate-Mozzarella-Spieß“, rät die Expertin. Dadurch wird vor allem auch das Insulin aus der Bauchspeicheldrüse nicht herausgefordert. Ihr Tipp für einen kohlenhydratarmen Snack: ein selbst gerührter Shake aus Naturjoghurt, Haferkleie und ein paar Beerenfrüchten. Nußbaum: „Haferkleie hilft gegen Hungerattacken – das funktioniert, wenn die Leute das auch durchhalten. Aber nur so schafft man es, seine Ernährung umzustellen.“

Fakt ist also: Zu oft snacken schadet, vielmehr braucht unser Organismus Essenspausen. Mehr als drei bis vier Mahlzeiten pro Tag müssen nicht sein – die  Empfehlung mehrerer kleiner Mahlzeiten ist inzwischen veraltet. Genügend Pause bekommt der Körper beim Intervallfasten: An fünf Tagen in der Woche wird normal gegessen, an zwei frei gewählten Tagen wird gefastet. Zwischen den Mahlzeiten werden mindestens vier Stunden Pause eingehalten. Zwischen Abendessen und dem Frühstück am nächsten Tag zehn Stunden. Die Methode ist alltagstauglich und eignet sich, um Gewicht zu verlieren und den Stoffwechsel zu normalisieren, vor allem den Zuckerstoffwechsel.

Grundsätzlich sollten Menschen mit einem Diabetes nur nach Absprache mit ihrem Arzt fasten. Denn Zuckerkranke müssen beim Fasten öfter den Blutzucker messen und weniger Medikamente nehmen oder weniger Insulin spritzen. Übrigens: Eine angeleitete Fastenkur kann für Menschen mit einer Diabetes-Diagnose ein guter Einstieg in die Behandlung sein. „Die Werte verbessern sich schnell und die Betroffenen sind motiviert, ihre Ernährung dann endlich umzustellen“, sagt Doris Nußbaum. Allerdings sollte das Fasten nicht länger als eine Woche dauern, da sonst der Körper neben Fett, auch wertvolle Muskelmasse abbaut – am besten also nur unter ärztlicher Aufsicht.

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