Die Verheißungen der digitalen Medizin

Die Digitalisierung bringt der Medizin viele Vorteile. Voraussetzung: Patientendaten müssen sicher sein.
Illustration: Ivonne Schulze
Illustration: Ivonne Schulze
J.W. Heidtmann Redaktion

Medizinische Daten sind sensible Daten. Und es werden immer mehr. Fast alle Praxen und Krankenhäuser nutzen umfassend digitale Datenverarbeitung. Bei der Übermittlung dieser Daten stecken viele aber noch im analogen Zeitalter von Brief und Fax.

Das ändert sich sukzessive: 2016 ist das Gesetz für sichere digitale Kommunikation und Anwendungen im Gesundheitswesen, das sogenannte E-Health-Gesetz, in Kraft getreten. Künftig sollen Praxen, Krankenhäuser, Apotheken und weitere Akteure des Gesundheitssystems durch eine Telematikinfrastruktur miteinander vernetzt sein. Anwendungsmöglichkeiten der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) und der Telemedizin sollen weiter ausgebaut werden. Auch neue Angebote wie etwa die telemedizinische Befundung von Röntgenbildern sowie die Online-Sprechstunde mit Patienten, die dem Arzt bereits bekannt sind, können nun starten.

Online-Sprechstunde, elektronischer Medikationsplan oder Notfalldatensatz – digitale Anwendungen werden schon bald den Alltag von Patienten und medizinischem Personal erleichtern und die Versorgung deutlich verbessern, so der Digitalverband Bitkom. „Digitale Angebote wie der elektronische Medikationsplan oder auch die Online-Sprechstunde bringen einen Innovationssprung für unser Gesundheitswesen und werden die Prävention, Diagnose und Behandlung von Krankheiten spürbar verbessern“, so Bitkom-Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder.   

Allerdings geht das nicht so schnell voran wie erhofft. Dem Vorstandschef der Techniker Krankenkasse, Jens Baas, geht der Digitalisierungsprozess in Deutschland zu langsam voran. Natürlich berge Digitalisierung auch Risiken, erklärte er in einem Interview mit der Pharmazeutischen Zeitung. „Aber wir laufen tatsächlich Gefahr, den Anschluss zu verlieren. Das Problem ist: Wir sind nicht deshalb langsam, weil wir die Risiken besser beherrschen wollen. Sondern weil einzelne Interessengruppen, seien es nun Ärzte, Apotheker oder Krankenkassen, Angst haben, durch die Digitalisierung etwas zu verlieren, und deshalb mehr oder weniger subtil blockieren.“ Digitalisierung werde das System verändern, so Baas. „Das macht es schwierig.“

Die Techniker Krankenkasse geht daher voran und arbeitet bereits als erste Kasse an der Bereitstellung einer elektronischen Gesundheitsakte. Versicherte der TK sollen künftig auf freiwilliger Basis viele Gesundheitsdaten bündeln können, etwa medizinische Befunde. Dabei soll der Patient die Entscheidungshoheit darüber behalten, wer, wann und worauf Zugriff haben darf – und wer nicht. Auch die Kasse hat keinen Zugriff. Die Daten seien sicher zentral auf einem Server in Deutschland gehostet, so Baas.

Die Patienten sind offen für neue Angebote, zeigte eine Umfrage des Bitkom: Darin unterschreibt eine deutliche Mehrheit von 61 Prozent den Satz: Die Digitalisierung der Medizin birgt unterm Strich mehr Chancen als Risiken. 59 Prozent sind offen gegenüber dem sogenannten Tele-Monitoring. Dabei werden beispielsweise die Vitalwerte wie Blutdruck oder Blutzucker von Patienten mit Herzerkrankungen oder Diabetes digital an ein Krankenhaus übermittelt, wo medizinisches Fachpersonal diese prüft und den Patienten bei Unregelmäßigkeiten benachrichtigt.

Zwar äußerten 82 Prozent der Befragten die Sorge, dass durch die Digitalisierung der Medizin die Gefahr des Missbrauchs von Gesundheitsdaten steigen könne. Vorausgesetzt, dass die Daten optimal geschützt sind, sind sie aber durchaus offen dafür, beispielsweise Informationen zu Symptomen und Krankheitsverlauf zur Verfügung zu stellen: 75 Prozent würden das tun, wenn sie dadurch zur langfristigen Erforschung einer Krankheit beitragen können.

Wie aber lassen sich diese sensiblen Daten verlässlich schützen? Die Norm DIN EN 80001-1 ist jedem bekannt, der sich mit IT im Gesundheitssektor beschäftigt. Sie regelt die Anwendung des Risikomanagements für IT-Netzwerke, die Medizinprodukte beinhalten und richtet sich an Betreiber von medizinischen IT-Netzwerken, die in Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen und Arztpraxen eingesetzt werden. Allerdings ist diese Norm nicht verpflichtend. Wer aber Haftungsansprüche gegen den Betreiber des medizinischen IT-Netzwerkes vermeiden will, setzt sie um. Eine gesetzliche Pflicht zur Anwendung des Risikomanagements ist in Vorbereitung.

Dass Gesundheitsdaten optimal geschützt werden können, zeigte bereits 2015 das von der Bundesregierung geförderte Projekt „cloud4health“. Ziel: einen vertrauenswürdigen virtuellen Datenspeicher für sensible medizinische Daten zu entwickeln. Ein Konsortium rund um das Unternehmen Averbis GmbH, des Fraunhofer SCAI, des Rhön Klinikum und der Universität Erlangen entwickelte in enger Zusammenarbeit mit Datenschützern der Kliniken und Länder ein Datenschutz- und Sicherheitskonzept, das den besonderen Anforderungen im Gesundheitswesen gerecht wird.


Hintergrund zum E-Health-Gesetz
 

In der Juli-Ausgabe seines Newsletters "MedTech Ambulant" informiert der Medizintechnik-Verband BVMed über die Inhalte des E-Health-Gesetzes und dessen Bedeutung für die vertragsärztliche Versorgung. Im Rahmen des E-Health-Gesetzes werden elektronische Arztbriefe seit dem 1. Januar 2017 finanziell gefördert. Der elektronische Arztbrief (eArztbrief) ermöglicht eine schnelle und sichere Übermittlung medizinischer Informationen unter Klinik-, niedergelassenen Haus- und Fachärzten. Anlagen, wie Befunde oder auch bewegte Bilder, können zusammen mit dem eArztbrief versendet werden. Der Empfänger kann den eArztbrief direkt digital in seine Patientenakte übernehmen. Erstellung, Versand und Übernahme des individuellen Arztbriefes funktionieren ohne Medienbrüche und ohne Zeitverzögerung. Im Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) zur Abrechnung ambulanter medizinischer Leistungen sind alle drei Schritte einzeln erfasst. Mehr zum Versichertenstammdatenmanagement (VSDM) und zum Datenaustausch über Standardschnittstellen im aktuellen Newsletter "MedTech Ambulant". Download unter: www.bvmed.de/medtech-ambulant.

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