Geistig rege bleiben

Gegen Alzheimer hilft keine Therapie. Doch es verdichten sich die Hinweise, dass man etwas tun kann, um der Erkrankung vorzubeugen.
Geistig rege bleiben
Illustration: Ivonne Schulze
Jürgen W. Heidtmann Redaktion

Jeder kennt diese Momente, in denen die Erinnerung plötzlich wie weggewischt scheint. Deswegen Alzheimer zu vemuten, wäre in den meisten Fällen reine Hysterie. Dennoch: Treten in höherem Alter wiederkehrende Symptome auf, könnte dies auf eine ernsthafte Hirnerkrankung hindeuten: die Demenz oder eben, in ihrer häufigsten Form: Alzheimer.

Bei Alzheimer wird im Gehirn zu wenig Acetylcholin produziert. Dieser Überträgerstoff ist notwendig für die Signalverarbeitung. Warum die Nervenzellen, die Acetylcholin herstellen, absterben, ist unbekannt. Alois Alzheimer, nach dem die Erkrankung benannt ist, fand heraus, dass dieses Absterben von Nervenzellen mit der Bildung von abnorm veränderten Eiweißbruchstücken einher- geht, die sich in Form von Fäserchen im Gehirn ablagern. Parallel zur Bildung dieser sogenannten Neurofibrillenbündel kommt es zum Absterben der Nervenzellen und zu Gedächtnisverlust, Verwirrtheit und Desorientierung. Das Urteilsvermögen ist getrübt, die Sprachfähigkeit nimmt ab. Dazu kommen Wesensveränderungen. Betroffene können Depressionen entwickeln, aggressiv werden oder unter Rastlosigkeit leiden.

Heilung gibt es nicht, auch keine bekannte Therapie. Alzheimer verläuft immer tödlich. Doch es gibt offenbar Faktoren, die den Ausbruch der Erkrankung verhindern oder zumindest verzögern. Die Studienlage ist zwar noch relativ dürftig, aber gewisse Zusammenhänge können bereits nachgewiesen werden. So scheint etwa regelmäßiger Konsum von Obst und Gemüse dazu beizutragen, die geistige Leistungsfähigkeit im Alter zu erhalten. Durch eine Studie aus dem Jahr 2005 konnte belegt werden, dass betagte Frauen durch vermehrten Gemüsekonsum ein reduziertes Risiko für kognitive Beeinträchtigungen haben. Auch ältere Studien berichteten über einen positiven Einfluss von Obst und Gemüse auf die Gehirnleistung älterer Menschen.

Umgekehrt wird vermutet, dass sogenannter oxidativer Stress die Entstehung von Demenz-Erkrankungen begünstigt. Einerseits zeigen Alzheimer-Patienten mikroskopische Gehirnschädigungen, die mit dem vermehrten Vorkommen sogenannter freier Radikale in Verbindung gebracht werden. Andererseits senkt die Zufuhr von Antioxidantien die Schädlichkeit der Substanz Beta-Amyloid, die sich im Gehirn von Alzheimer-Patienten vermehrt ablagert.

Als Antioxidantien gelten Vitamine. Studien, die mit dem fettlöslichen Vitamin E durchgeführt wurden, das in pflanzlichen Ölen, Vollkornprodukten und Blattgemüse vorkommt, gaben aber keinen hinreichenden Beleg, dass Vitamin E Alzheimer verhindern oder aufhalten kann. Im Gegenteil, eher wurden Bedenken wegen möglicher krankheitsauslösender Nebenwirkungen durch das Vitamin geäußert. So konnte in den letzten Jahren ein erhöhtes Risiko für Herzerkrankungen bei hoch dosierter Einnahme von Vitamin E aufzeigt werden. Hingegen spielen Faktoren wie Freizeitgestaltung, Bildung und Fitness sowie mögliche Wirkungen von Medikamenten definitiv eine Rolle bei der Prävention.

Ist die Erkrankung erst einmal ausgebrochen, schreitet sie nicht linear fort, sondern es ist ein Auf und Ab: Mal scheint es Patienten von einem Tag auf den anderen viel schlechter zu gehen, dann wieder scheint sich das Erinnerungsvermögen zu erholen. Von den schätzungsweise 1,2 Millionen Menschen, die in Deutschland an der Alzheimer-Krankheit leiden, sind die meisten in sehr hohem Alter: Während nur drei bis vier Prozent bei den 70- bis 75-Jährigen betroffen sind, steigt die Häufigkeit der Erkrankung mit zunehmendem Alter an. Bei den über 90-Jährigen sind mehr als ein Drittel erkrankt. Man vermutet, dass die Dunkelziffer noch weit höher liegt. Aufrund des steigenden Lebensalters der Durchschnittsbevölkerung wird davon ausgegangen, dass 2050 drei Millionen Menschen an Alzheimer erkrankt sein werden.

Im Frühstadium der Alzheimer-Krankheit sind viele Patienten eher antriebsschwach, was aber meist kaum auffällt. Kleinere Gedächtnislücken und Stimmungsschwankungen treten auf, die Lern- und Reaktionsfähigkeit nimmt ab. Die Erkrankten verschließen sich gegenüber Neuem und bevorzugen Gewohntes. Das Sprechen und Denken verlangsamt sich. Es kann passieren, dass Patienten mitten im Satz plötzlich beginnen wirr zu reden, sich unterwegs nicht mehr zurechtfinden oder vergessen, Rechnungen zu begleichen.

Wenn sich die Betroffenen ihrer Defizite erst einmal bewusst werden, können Depressionen, Reizbarkeit und Rastlosigkeit die Folge sein. Ist die Krankheit erst einmal ausgebrochen, ist Schonung aber die völlig falsche Therapie. Angehörige sollten darauf achten, dass die an Alzheimer Erkrankten nicht unterfordert sind. Ärzte raten, Betroffene in Alltagsaufgaben einzubinden.

Sport, Spaziergänge und andere Formen der Bewegung beruhigen, erklärt die Deutsche Alzheimer Gesellschaft. Überforderung und Stress sollten vermieden werden.


 

Vorbeugung gegen Alzheimer
 

Bewegung

Durch ausreichend Bewegung wird nicht nur der Körper fit gehalten, sondern auch das Gehirn. Als ideal werden mindestens zwanzig Minuten pro Tag empfohlen. Keine Höchstleistungen, sondern Spaß an der Bewegung. Spazieren, Tanzen oder Schwimmen. Fahrrad statt Auto und Treppe statt  Aufzug.

Ernährung

Empfohlen wird die so genannte mediterrane Ernährung: Olivenöl, Nüsse, viel Gemüse und Obst. Dabei wird das Gehirn mit wichtigen Nährstoffen versorgt, was die Abwehrbereitschaft stärkt. Fisch ist zur Vorbeugung von Alzheimer besser als rotes Fleisch. Ausreichend trinken ist wichtig, gerne auch Kaffee oder Tee. Eine präventive Wirkung von Koffein bei Alzheimer gilt als erwiesen. Rauchen, viel Alkohol und Übergewicht sind kontraproduktiv.

Geistige Fitness

Die Gehirnzellen müssen gefordert werden. Eintönige Verhaltensweisen und Rituale sollten durchbrochen werden. Gedächtnistraining kann Alzheimer vorbeugen. Auch Musizieren, Reisen, Karten spielen oder eine neue Sprache lernen hilft. Wichtig: sich immer wieder wieder neue Herausforderungen suchen, den Alltag aktiv zu gestalten.

Soziale Kontakte

Kommunikation mit anderen und Geselligkeit hält geistig fit. Wer viel allein ist, hat ein doppelt so großes Alzheimer-Risiko, als jemand mit viel sozialem Austausch. Gemeinsames Kochen, Kartenspielen, Musizieren oder Sporttreiben, privat, im Verein oder in der Volkshochschule, hilft gegen Alzheimer. Regelmäßige Treffen mit Freunden, Bekannten und der Familien, offen bleiben für neue Begegnungen und neue Erfahrungen hilft auch gegen Demenz.

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