Problemlöser von morgen

Life-Science-GründerInnen haben es nicht einfach. Zwar ist oft in den ersten Jahren Geld vorhanden. Doch was zählt, ist das Netzwerk – und das kann man nicht kaufen.
Daria Domnikova
Illustration: Daria Domnikova
Axel Novak Redaktion

Die Chancen Künstlicher Intelligenz (KI) sind enorm: Wenn Ärzte auf große Datenmengen aus aller Welt zurückgreifen, dann können sie valide Schlüsse ziehen, wie krank ein Patient ist und welches Medikament ihn heilt. Das will Aignostics: Das Unternehmen ist Anfang 2018 aus der Charité – Universitätsmedizin Berlin und dem Berlin Institute of Health ausgegründet worden und hilft dabei, dank KI erkennen zu können, ob es sich beispielsweise bei einem verdächtigen Knoten um Krebs handelt oder nicht. Dafür hat Aignostics eine Software entwickelt, die große Datenbestände in einen Zusammenhang bringen kann. „Während Pathologen ausgezeichnet darin sind, die morphologischen Merkmale von Gewebe in einzelnen Proben umfassend zu analysieren, ist KI besonders gut geeignet, um einzelne Merkmale standardisiert und quantitativ zu evaluieren sowie Zusammenhänge in größeren Datenmengen, wie zum Beispiel klinischen Studien, aufzudecken“, erklärt Aignostics-Mitgründer Prof. Dr. Frederick Klauschen. Ende August hat das Unternehmen fünf Millionen Euro bei Investoren einsammeln können, um sein Produkt zur Marktreife zu bringen.


Damit ist Aignostics ein erster Schritt gelungen, den andere Start-ups noch gehen müssen. Denn Unternehmensgründungen im Bereich Life Science haben es nicht leicht. Dabei ist es nicht so, dass es keinen Bedarf an guten Ideen im Bereich Life Science gibt. Ob CO2-Verhinderung oder Energiespeicherung, Abfall-Recycling oder Agrochemie, Gesundheit oder Arbeitspsychologie – die Life-Science-Unternehmen von heute sind die Problemlöser von morgen.

 

Life-Science-Start-ups brauchen viel Geld


Doch innovative Start-ups aus der Medizin, der Biotechnologie oder den erneuerbaren Energien sind selten die aufregenden Disruptoren, die mit einem cleveren Geschäftsmodell den Markt aufrollen. Sondern Life-Science-Unternehmen brauchen erst einmal viel Geld. Für Forschung, für Studien oder einfach für technische Ausrüstung. Viele solcher Start-ups kommen aus dem Umfeld von Forschungszentren und Universitäten, wo noch an Grundlagen geforscht wird. Aignostics beispielsweise ist zwar 2018 gegründet worden. Doch die ersten Patente der Gründer Prof. Dr. Frederick Klauschen und Prof. Dr. Klaus-Robert Müller reichen bis ins Jahr 2011 zurück.


Doch die wenigsten Geschäftsideen im Bereich Life Science sind sofort reif für die Vermarktung. Unternehmen brauchen daher viel Zeit, um Produkte fertig zu entwickeln und zu überprüfen. Auch müssen sie oft viele Regulierungen und Gesetze einhalten. Weil es keine Garantie dafür gibt, dass die Marktreife jemals erreicht werden kann, ist das Risiko zu scheitern vergleichsweise hoch. Das macht die Kapitalbeschaffung oft schwer. Gründungskapital für Life-Science-Unternehmen gilt daher als Risikokapital.


Dennoch gibt es für Gründer und junge Unternehmen viel finanzielle Unterstützung von Bund, Ländern und der EU. Im internationalen Vergleich ist die Finanzierung durch die öffentliche Hand und private-public-finanzierte Fonds in den ersten Jahren in Deutschland gut geregelt. Später übernehmen Investoren: „Das Interesse an hochinnovativen Technologie-Geschäftsmodellen war schon vor der Corona-Krise gestiegen, dieses Segment hat aber nun einen zusätzlichen Schub bekommen“, stellt Partner Thomas Prüver im aktuellen Start-up-Barometer der Unternehmensberater von EY fest.


Vorbilder Qiagen und Curevac


Wie weit der Erfolg tragen kann, zeigen Unternehmen wie Qiagen: 1984 als Start-up gegründet, beschäftigt Qiagen heute weltweit rund 4.000 Mitarbeiter. Oder Curevac: 2000 als Biotech-Unternehmen in Tübingen gegründet, ist Curevac heute einer der Hoffnungsträger im Kampf gegen das Coronavirus  – mit entsprechend hohem Budget. Dabei hatte Curevac schon vor Jahren einen großen Vorteil: Prominente wie Bill Gates und Dietmar Hopp stiegen als Investoren ein. Sie öffneten nicht nur ihren Geldbeutel, sondern auch Tür und Tor für ihre Netzwerke.


Denn das ist eines der wichtigsten Erfolgsfaktoren für ein Star-tup: Ein Netzwerk an Unterstützern, Investoren, Partnern und möglichen Kunden. Weil es daran in Deutschland häufig noch hakt, wollen nun Institutionen aus Verbänden, Unternehmen oder Hochschulen Forscher und Interessenten öfter und enger zusammenbringen. Die Gründerpreise und Wettbewerbe wie der Achema-Gründerpreis oder der Wettbewerb Science4life statten Start-ups und ihre Ideen nicht nur mit Geld aus, sondern vor allem mit Kontakten und Expertise. Am Anfang der künstlichen Intelligenz steht immer noch die soziale Intelligenz.

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