Ganz Ohr sein

Immer mehr Menschen weltweit leiden unter Hörschäden. Technisch ausgefeilte Hörhilfen sind teuer.
Illustration: Maria Martin
Illustration: Maria Martin
Andrea Hessler Redaktion

Meist sind es Angehörige und Freunde, die bemerken, dass jemand nicht mehr gut hört. Die gewöhnen sich an, lauter zu sprechen. Die Betroffenen wiederum versuchen, ihr Defizit durch Beobachtung und gelegentliches Nachfragen auszugleichen und ergänzen, was sie nicht komplett vernommen haben, mit ihrer Sprachkompetenz. Im engen privaten Rahmen mag das funktionieren – doch im Beruf, im öffentlichen Raum und bei nicht vorbereiteten Gesprächspartnern geht eine derart rudimentäre Kommunikation oft schief. Spätestens dann kommt der HNO-Arzt mit seinen Messungen ins Spiel, der untersucht, ob wichtige Messwerte im Ton- und Sprachaudiogramm unter einer bestimmten Schwelle liegen und eine Hörhilfe angepasst werden sollte.


„Hörgerätetechnologien haben in den letzten Jahren eine enorme Entwicklung erfahren“, lobt Professor Dr. med. Patrick Zorowka, Facharzt für HNO-Heilkunde sowie für Phoniatrie und Pädaudiologie an der Medizinischen Universität Insbruck und Inhaber des Förderpreises der Forschungsgemeinschaft Deutscher Hörgeräte-Akustiker (FDHA). „Hörgeräte sind inzwischen miniaturisierte Computer, die neben hoch komplexer Technologie einen hohen Tragekomfort bieten und unauffällig getragen werden können“, betont Zorowka.


Doch das klingt einfacher, als es ist. Betroffene haben oft eine lange Leidens- und Probierphase hinter sich, bis sie schließlich das Hörgerät angepasst bekommen, das ihnen tatsächlich hilft. So wie die Hamburger Kriminalautorin Gundula Thors. Die 74-Jährige ist schon lange schwerhörig. „Ich hatte mir schon fast abgewöhnt, ins Kino oder Theater zu gehen, weil ich vor allem in großen Räumen kaum etwas verstanden habe“, schildert sie ihren Leidensweg. „Auch bei meinen Lesungen vor kleinem und größerem Publikum ist die Schwerhörigkeit extrem hinderlich.“ Schließlich passte ihr der Hörakustiker eine Hörhilfe an, die ihr tatsächlich hilft; doch die kostete mehrere Tausend Euro. Dies lag weit über dem Zuschuss von knapp 800 Euro, den gesetzlich Versicherte in der Regel von ihren Krankenkassen für ein Hörgerät erhalten. Bei privat Versicherten hängt die Höhe des Zuschusses von deren individuellem Tarif ab. Wer geschickt verhandelt, kann unter Umständen einen höheren Zuschuss bekommen.


Noch teurer wird es bei Cochlea-Implantaten, deren technische Entwicklung in den vergangenen Jahren große Fortschritte gemacht hat. Für den Job-Coach und diplomierten Lauftherapeuten Torsten Schubert bedeuten seine Implantate einen enormen Gewinn an Lebensqualität. Schubert verlor sein Gehör aufgrund von Unfällen. Seine Cochlea-Implantate wurden in der Frankfurter Uniklinik und am Bundeswehrkrankenhaus in Hamburg eingesetzt. Ebenfalls spezialisiert auf diese gefährliche und teure mikrochirurgische Operation, bei der der Schädel aufgebohrt wird und Elektroden direkt ins Gehirn sowie in die Hörschnecke (Cochlea) gesetzt werden, ist das Deutsche Hörzentrum Hannover. Doch so wie unbeeinträchtigte Menschen können Schubert und seine Leidensgenossen mit Implantaten nicht leben. „Das Hören funktioniert völlig anders, man muss es komplett neu lernen und das Gehirn ständig auf die neue Art der Wahrnehmung trainieren“, gibt er zu bedenken. Und eine wesentliche Einschränkung bleibt. „Ich stamme aus einer Musiker-Familie. Leider kann man mit Implantaten nie mehr richtig Musik hören. Die klingt wie Katzenjammern.“

 

Nächster Artikel
Medizin
Juni 2023
Illustration: Olga Aleksandrova
Redaktion

Gesund für Körper und Geist

Reisen tut der Seele gut. Für die schönsten Wochen im Jahr bietet Deutschland schier unendliche Möglichkeiten – vom Aktivurlaub bis zur gemütlichen Familienreise.